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- Blick aus China: Der Fall Hu Xinyu
dass die Ein-Kind-Politik in China einen heftigen Eingriff dargestellt hat, ist unbestritten. Zwei Generationen mussten darauf verzichten, eine große Familie zu gründen. Nun dürfen Chinesen sogar wieder drei Kinder bekommen, tun es aber nicht. Die Geburtenrate ist extrem niedrig. China vergreist. Und das hat schwerwiegende Folgen, nicht nur für das Land, sondern auch für die Weltwirtschaft. Die Führung lag mit ihren Annahmen aus den Achtzigerjahren schlicht falsch, sagt der Wissenschaftler Yi Fuxian im Interview mit Felix Lee. Die Aussichten seien düster. Und die gesamte Wirtschafts-, Sozial-, Verteidigungs- und Außenpolitik Chinas basiere auf fehlerhaften Daten.
Zahlen und Statistiken aus China gelten ohnehin als wenig vertrauenswürdig. Am wenigsten unter den Chinesen selbst. Das Misstrauen überträgt sich auch auf andere Aspekte des Regierungshandelns. So wie im Fall eines 15-jährigen Internatsschülers, der am 14. Oktober 2022 als vermisst gemeldet wurde. Sowohl die Schule als auch die örtliche Polizei erklärten, sie hätten alles in ihrer Macht Stehende getan, um nach ihm zu suchen. Doch die Suche war vermutlich eher flüchtig. Drei Monate später fehlte von Hu Xinyu immer noch jede Spur.
Seine Eltern hatten im Internet schon früh vom Verschwinden ihres Sohnes berichtet und um Hilfe gebeten. Doch erst eine schaurige Theorie verschaffte dem Fall landesweite Beachtung: Diese besagte, Hu sei möglicherweise das Opfer eines Untergrundnetzwerkes geworden, das Organe stiehlt und an Menschen verkauft, die eine Transplantation benötigen. Gerüchten zufolge seien örtliche Beamte und sogar Angehörige der Schule daran beteiligt gewesen.
Für diese erschreckende Theorie gab es zwar keine Beweise, doch die Netzgemeinde verbreitete sie munter weiter. Der Fall ist ein Beispiel für das gravierendes Problem, das sich die chinesische Regierung selbst zuzuschreiben hat: einen Mangel an Glaubwürdigkeit, heißt es heute bei unserem Blick aus China.
Marcel Grzanna

Analyse
„China wird die USA nie übertreffen“

Herr Yi, erstmals seit der großen Hungersnot von 1961 ist Chinas Bevölkerung im vergangenen Jahr geschrumpft, neun Jahre früher als prognostiziert. Ist das aus Sicht der kommunistischen Führung nicht ein Grund zum Feiern? Schließlich war drohende Überbevölkerung der Grund, warum sie 1980 die Ein-Kind-Politik einführte.
Nein, überhaupt nicht. Die Zahl der Geburten ist offiziellen Angaben zufolge erstmals unter die Zehnmillionengrenze gefallen. Das ist der niedrigste Wert seit 1790. Damals lag die Einwohnerzahl aber bei rund 300 Millionen, heute sind es über eine Milliarde. Jede Frau im gebärfähigen Alter hat zuletzt im Schnitt nur noch 1,0 bis 1,1 Kinder zur Welt gebracht, nicht 1,8 – womit die Regierung gerechnet hatte. Pro Frau sind aber etwa 2,1 Kinder erforderlich, um die Einwohnerzahl eines Landes auf gleichem Niveau zu halten. Das heißt: In China wird jede Generation nur noch halb so groß sein wie die vorige. Und selbst diese niedrige Zahl ist geschönt. Ich gehe davon aus, dass Chinas Einwohnerzahl schon seit 2018 zurückgeht und die eigentliche Fertilitätsrate bei 0,8 liegt. China vergreist in einem Ausmaß und einer Geschwindigkeit, wie es nie ein Land erlebt hat.
Wenn die Bevölkerung neun Jahre früher als vorgesehen schrumpft, sind die Probleme doch nur vorgezogen und können nicht völlig unerwartet sein?
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