- Graphic-Novel-Report zeigt Leben in Zwangslagern
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- Kolumne: Johnny Erling über den verbalen Kotau
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dass die chinesische Regierung die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang so lange leugnen konnte, lag auch daran, dass kaum Bilder aus dem Inneren der als „Bildungseinrichtungen“ getarnten Zwangslager nach draußen dringen. Die Lücke schließen will ein Comic, der die Geschichte von Zumrat Dawut erzählt. Die junge Mutter wurde 2018 in Urumqi festgenommen und verbrachte zwei Jahre in einem Lager, wo sie nicht nur misshandelt sondern auch zwangssterilisiert wurde. Die Graphic-Novel-Reportage „I escaped A Chinese Internment Camp“ erhielt im Mai den Pulitzer-Preis für „illustrierte Berichterstattung“. „Manchmal müssen die Menschen die Dinge sehen, um zu glauben, dass sie tatsächlich passieren“, sagt Walter Hickey, der das Projekt journalistisch leitete und mit China.Table über seine Entstehung und Umsetzung gesprochen hat.
Obwohl sie seit Jahren beklagt wird, bleibt die Rohstoffabhängigkeit von China ein großes Problem für Deutschland. Direkte Abhängigkeiten bestehen etwa bei Seltenen Erden und Magnesium. Experten halten die indirekten Abhängigkeiten jedoch für noch relevanter, denn die deutsche Industrie ist auf Vorprodukte aus anderen EU-Ländern angewiesen, die noch mehr Rohstoffe von dem asiatischen Weltmarktführer beziehen. Nico Beckert analysiert, warum es uns so schwerfällt, von dem bewährten Lieferanten loszukommen und welche Konsequenzen wir jetzt aus dem Umgang mit russischem Gas für China ziehen sollten.
Vorschnelle Lehren ziehen unterdessen immer wieder Unternehmen, die in China boykottiert werden, weil sie angeblich die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt haben. Internationale Player wie Nike und Daimler baten bereits öffentlich um Vergebung – und bestätigten dabei der Welt nicht nur die Wichtigkeit des chinesischen Marktes sondern auch den globalen Machtanspruch Pekings. In einer kleinen Kulturgeschichte des Kotau zeigt uns Jonny Erling heute die Parallelen zum gleichnamigen Kniefall auf, mit dem chinesische Kaiser sich einst über die „Barbarenvölker“ jenseits ihres Reiches erhoben. Die Versuchung, vor der Sowjetunion zu Kreuze zu kriechen, sei im Westen nie derart mächtig gewesen, zitiert Erling den Chinakenner Ian Buruma. Dort konnte man eben kein Geld machen: „China lockt uns mit seinen Reichtümern, solange wir seine Kaiser lobpreisen.“
Fabian Peltsch

Analyse
Comic-Reportage: Wie Zumrat Dawut aus einem Lager in Xinjiang entkam

Fabian Peltsch
Am 31. März 2018 wird Zumrat Dawut auf die Polizeistation ihrer Heimatstadt Urumqi einbestellt. Die junge Frau und Mutter dreier Kinder hält es zunächst nur für eine Identitätskontrolle, wie sie in der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang mittlerweile oft vorkommen. Doch dann geht alles ganz schnell: Zumrat wird auf einen der berüchtigten Tigerstühle geschnallt, eine mit eisernen Schlingen ausgestattete Sitzvorrichtung, aus der es kein Entkommen gibt. Einen Tag und eine Nacht lang wird sie verhört, soll über jeden Anruf und jede Reise ins Ausland Zeugnis ablegen. Zwischendurch prügeln die Polizisten mit Knüppeln auf sie ein. Es ist der Beginn eines Martyriums in einem chinesischen Umerziehungslager, das erst zwei Jahre später mit Zumrats Flucht aus China endet.
In all ihrer Tragik nachvollziehen kann man die Geschichte der 1982 geborenen Zumrat Dawut in der Graphic-Novel-Reportage „l escaped a Chinese Internment Camp“, die im Mai mit dem Pulitzer-Preis für „Illustrated Reporting and Commentary“ ausgezeichnet wurde. Die „illustrierte Berichterstattung“ sieht aus wie ein gezeichneter Comic, versucht dabei jedoch wie ein journalistischer Text reale Ereignisse zu dokumentieren und einzuordnen.

Mechanismen der Gewalt
„Wir stehen bei der Berichterstattung über den Genozid in Xinjiang vor dem Problem, dass wir keine fotografischen Aufzeichnungen haben, um das Ausmaß der Grausamkeit zu dokumentieren“, erläutert Walter Hickey. Der Redakteur des US-Magazins „Insider“ war verantwortlich für die journalistische Umsetzung des Projekts. Er interviewte Zumrat und versuchte, die Umstände ihrer Inhaftierung so detailliert wie möglich zu rekonstruieren, damit die Illustratorin Fahmida Azim die Geschichte anschließend detailgetreu umsetzen konnte. „Visuelle Details spielten eine wichtigere Rolle als in einem normalen Interview“ erklärt Hickey. „Wenn es hieß: ‚Ich wurde auf die Rückbank eines Autos geworfen‘, dann mussten wir herausfinden: War es eine Limousine, war es ein Van, war es ein Geländewagen? Auch die Farben der Wände spielten eine Rolle oder die Tatsache, dass die Hafteinrichtung zuvor als Grundschule gedient hatte.“
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