Buchauszug: „Ein Volk verschwindet“ von Philipp Mattheis
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Portrait: Françoise Hauser – Autorin und interkulturelle Trainerin
Liebe Leserin, lieber Leser,
in China begeht man Feiertage gerne „renao 热闹“ – „warm und laut“. Mit etwas Glück bietet die Weihnachtszeit aber auch dort einige ruhige Stunden, die man zum Beispiel mit einem guten Buch verbringen kann. Ning Wang hat sich die wichtigsten und spannendsten Neuveröffentlichungen zu und aus China in diesem Winter angesehen. Von einem Rundumschlag über die jüngste Geschichte des Landes bis hin zu haarsträubenden Einblicken in die Vetternwirtschaft der Partei ist alles dabei.
Direkt hineinlesen können Sie sich in das Buch „Ein Volk verschwindet“, das sich mit dem Schicksal der Uiguren in Xinjiang beschäftigt. Der Autor und ehemalige China-Korrespondent Philipp Mattheis hat uns vorab zur Veröffentlichung im Januar 2022 ein Kapitel zur Verfügung gestellt. Darin fasst er die Lage im „gigantischen Freiluftgefängnis“ der muslimisch geprägten Provinz zusammen. Mattheis erläutert, in welch ebenfalls gigantischem Ausmaß die chinesische Regierung mit Nebelkerzen wirft, um Lagerhaft und Zwangsarbeit zu verschleiern.
Nico Beckert bespricht ein Werk zu digitalen Welteroberungsstrategien von dem Politologen Jonathan Hillman – und gibt keine uneingeschränkte Kaufempfehlung ab. Unser Bücher-Special wird abgerundet von einem Portrait der Autorin und Kulturvermittlerin Françoise Hauser, die trotz geballter China-Expertise sagt: „Ich werde nie alles über China wissen, und das finde ich klasse.“
Natürlich informieren wir Sie in unserem Briefing auch wieder über die aktuelle Nachrichtenlage. Denn was aktuell in China und Hongkong passiert, könnte alleine wieder tausende Buchseiten füllen.
Ihr Fabian Peltsch
Buchauszug
Was wir wissen können
Das Buch „Ein Volk verschwindet: Wie wir China beim Völkermord an den Uiguren zuschauen“ von Philipp Mattheis trägt zusammen, was derzeit über die Lage in Xinjiang bekannt ist. Das Buch erscheint im Januar 2022. China.Table präsentiert das erste Kapitel vorab.
»Sie werden Baumwollfelder besichtigen und die Wahrheit und Fakten respektieren.«
Gao Feng, Sprecher des chinesischen Handelsministeriums, 2021
Bis vor kurzer Zeit hatten die meisten Menschen von dem Turkvolk im Westen Chinas noch nie etwas gehört. Xinjiang, die Stammheimat der rund 15 Millionen Uiguren, ist eine der ärmsten Provinzen Chinas. Während zum Jahreswechsel 2020/21 die Staatschefs mehrerer EU-Länder hinter verschlossenen Türen ein Handelsabkommen mit Peking aushandelten, schlugen Menschenrechtler Alarm. Peking hatte in der Region Xinjiang in den vergangenen Jahren eine digitale Dystopie errichtet. Die totale Überwachung ist – zumindest für die Minderheit der Uiguren – Wirklichkeit geworden. Bis zu zwei Millionen Menschen werden monatelang in »Umerziehungslagern« festgehalten. Folter, Zwangsarbeit und Gehirnwäsche sind dort an der Tagesordnung. Anfangs basierten die Meldungen noch auf Gerüchten und wenigen Berichten derer, die entkommen sind. Mittlerweile aber sind die Menschenrechtsverletzungen der kommunistischen Partei Chinas gut belegt.
Auf der einen Seite werden seit Jahren Milliarden in die Region investiert. Auf der anderen Seite schließen Pekings Beamte aber auch Moscheen, untersagen religiöse Feste und erlassen sogar Kleidervorschriften, um die Religion aus dem Alltag der Menschen zu verbannen. Uralte Oasenstädte wie Kashgar werden unter dem Vorwand der Modernisierung ihrer einzigartigen Architektur beraubt. Den Verlust der kulturellen Identität sollen Wirtschaftswachstum und Infrastruktur ausgleichen. Das ist das Rezept, mit dem die kommunistische Partei Chinas spätestens seit 1990 das Riesenland regiert.
Recherchen in Xinjiang sind nie einfach gewesen. Angst, Diskriminierung und Beamtenwillkür waren immer spürbar. Doch anders als zum Beispiel in Tibet, das seit Jahren für ausländische Journalisten komplett gesperrt ist, waren und sind Reisen nach Xinjiang noch immer erlaubt. Eine tiefergehende Berichterstattung aber ist kaum mehr möglich.
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