Wer K sagt muss auch I sagen

KI NRW Schule
Tobias Raue: Die KI im Klassenzimmer sollte eine landeseigene sein.

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieser Beitrag ist kein weiteres Pamphlet über die Potenziale von AI im Unterricht. Ich will nicht über alternative Aufgabenstellungen oder materialgerechte Prompts schreiben. Ich richte mich an die Adresse Dienstherren von uns Lehrerinnen und Lehrern: die Schulministerien der Länder. Statt sich allein auf amerikanische Software wie ChatGPT zu verlassen, sollten die Bundesländer damit beginnen, eigene KI-Anwendungen zu entwickeln.

Seit Ende November bestimmt ChatGPT den Bildungsdiskurs. Rekordverdächtig schnell hat sich etwa das Schulministerium in Nordrhein-Westfalen der Herausforderung ‚Künstliche Intelligenz‘ gestellt. (Bildung.Table berichtete.) Eine Arbeitsgruppe hat ein hilfreiches Paket geschnürt. Flankiert hat das Ministerium dies durch einen Fachvortrag, eine Präsentation und einen Selbstlernkurs konzipierte das Ministerium eine Handreichung für die Lehrkräfte im Land.

Geist der Offenheit der KI-Handreichung NRW

Der Geist des Papiers – und das ist bemerkenswert – ist von Offenheit geprägt. „Ein Verbot des Einsatzes von KI ist realitätsfern und nicht durchhaltbar, es gilt stattdessen die Potentiale und auch die Risiken für das Lehren und Lernen auszuarbeiten.“ Chapeau! So wünscht man sich einen schulministeriellen Zugang.

Aber auch ein reiner Metadiskurs reicht dem Ministerium nicht. Anders als bei früheren Initiativen zu Cybermobbing oder Robotik soll es nicht bei einer rein theoretischen Begegnung über Screenshots und Arbeitsblätter bleiben. Im Gegenteil: Es sei, so schreibt mein Dienstherr, Aufgabe von Schule, „gemeinsam im geschützten Raum zu erfahren, wie KI-basierte Textgeneratoren funktionieren.“

„Hands On“, das ist das Motto. Den Ball nehme ich auf – und spiele ihn zurück an meinen Dienstherrn. Denn die Verantwortung, die das Ministerium den Schulen überträgt, möchte ich als Lehrkraft nicht übernehmen.

(1) Datenschutz: So wird etwa der Staffelstab für die Beurteilung des Datenschutzes in die Hände der Schule gelegt. Angesichts der Dynamik, die die Autoren im Papier selbst betonen, ein Ding der Unmöglichkeit. Wer möchte sich schon als Lehrer oder Schulleitung durch die endlosen Weiten der (fremdsprachigen) AGB kämpfen – um die KI im Unterricht zu fragen, wie das Gretchen es mit der Religion halte?

(2) Persönliche Daten: Einige Lehrer:innen werden sich weigern, ihre persönlichen Daten wie Mailadresse, Handynummer und Telemetriedaten einer datenbasierten KI und den finanzierenden Konzernen zur Verfügung zu stellen.

(3) Geschäftsmodelle: Freemium-KI, also teilweise kostenpflichtige Angebote, führen absehbar dazu, dass Schüler:innen aus einkommensstärkeren Haushalten mehr Unterstützung im Lernprozess erhalten als Jugendliche, die ohnehin schon die finanziellen Herausforderungen der Familie schulisch (über)kompensieren müssen. Sobald KI in der Lage ist, individuelle Unterstützungsangebote, analog zur Nachhilfe, anzubieten, verstärkt sich dieses Phänomen weiter.

Länder müssen sichere KI-Anwendungen bieten

Ich bin überzeugt, dass die Schulen oder das Land selbst KI-Anwendungen zur Text-, Bild- und Videoproduktion, zur Textübersetzung und -überarbeitung zur Verfügung stellen müssen – kostenfrei, datenschutzkonform und intuitiv nutzbar.

Diese können beispielsweise über OpenSource-Lösungen in die landeseigenen LMS-Systeme integriert werden. Gegebenenfalls müssten Schnittstellen zu kommerziellen Anbietern von Lernplattformen geschaffen werden. Die Schüler:innen könnten sich per Single-Sign-On direkt innerhalb der KI-Tools bewegen. Sie erstellen Texte, überarbeiten und übersetzen sie, sammeln Ideen per Brainstorming, vergleichen Textpassagen oder kreieren Bilder und Grafiken für den Unterricht

Das Feld nicht US-Unternehmen überlassen

Wir sollten das Feld einmal nicht den amerikanischen Unternehmen überlassen. Begeben wir uns nicht in die Deutungshoheit undemokratischer Interessenskonglomerate. Steuern wir selbst eine KI, die nicht „ethisch-moralisch fragwürdig“ erscheint und durch „Eloquenz statt Wahrheit“ glänzt. So formuliert es das Schulministerium in NRW in seinem Leitfaden. Bestimmen wir selbst den Zugang zur KI, die Datenbasis und die Algorithmen.

Warum nicht nach OpenSource-Software, Kooperationspartnern oder Initiativen an deutschen Hochschulen und Softwareschmieden suchen? Wie wäre es mit einer Integration in die Lernplattform LogineoLMS oder die Bildungsmediathek NRW?

Ein dickes Paket? Ja. Für ein Land möglich? Ja.

Tobias Raue ist Lehrer an den Kaufmännischen Schulen in Rheine. Er war Lehrer des Jahres 2021 und gilt als Vorreiter digitalen Lernens.

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