
Endlich gibt es Geld. Das war mein erster Gedanke, als Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger ihre Kampagne zur Energiepreispauschale für Studierende in der vergangenen Woche vorstellte. Ich stecke in meinem letzten Uni-Semester und wie viele andere Studierende und Fachschüler kann ich das Energiegeld gut gebrauchen.
Dass es 200 Euro sind und damit 100 weniger als bei Rentnern und Arbeitnehmern – zur Kenntnis genommen. Dass die Pauschale erst im Frühjahr kommt, wenn Heizen kaum noch Thema ist – okay. Dass das Geld aufgrund der Inflation inzwischen sogar etwas weniger wert ist als noch im Herbst – geschenkt. Irgendwo zwischen Pandemie und Klimawandel haben die meisten jungen Menschen ohnehin bemerkt, dass sie weit unten auf der politischen Agenda stehen.
Das zeigt in dieser Woche auch eine repräsentative Umfrage des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld. Ihr zufolge hat unter den knapp 3.500 befragten 16- bis 25-Jährigen nicht mal jeder fünfte den Eindruck, Politiker setzten sich aktiv für Themen ein, die junge Menschen persönlich betreffen oder belasten. Vom verspäteten Energiegeld lässt sich also wahrscheinlich kaum noch jemand aus der Ruhe bringen.
Der digitale Antrag ist voraussetzungsvoll
Bei genauerer Betrachtung des Antragsverfahrens, das sich das Bildungsministerium überlegt hat, steigt bei mir dann aber doch der Puls. Eine „BundID“ soll man sich schon jetzt anlegen. Zur Authentifizierung der eigenen Person braucht es den aktivierten digitalen Personalausweis, ein NFC-fähiges Smartphone und eine eigene Ausweisapp. Alternativ geht auch ein ELSTER-Zertifikat – die meisten Studierenden und Fachschüler werden das aber noch nicht besitzen.
Ich frage mich: Ginge es nicht einfacher? Zum Beispiel über die Hoch- und Fachschulen selbst? Wobei man anerkennen muss, dass wohl jedes Verfahren seine Tücken hätte. Und offenbar musste sich Frau Stark-Watzinger noch mit einem Haufen Bundesländer über das Vorgehen streiten. Irgendeinen tieferen Sinn wird der gewählte Weg der Bildungsministerin da schon haben. Gut, der Puls sinkt.
Die Kommunikation des BMBF ist katastrophal
Lange bleibt er nicht unten. Auch nach 90-minütiger Recherche ist mir noch immer nicht klar, welchen Sinn in dem Verfahren eigentlich eine BundID hat, warum ich nicht einfach nur meine digitale Ausweisfunktion ohne die ID benutzen kann und ob es auch die Möglichkeit eines Offline-Antrags geben wird. Letzteres müsste gesetzlich eigentlich der Fall sein. Auf der Website der BundID selbst heißt es: „Sie können alle Verwaltungsleistungen auch ohne Anlegung eines dauerhaften Nutzerkontos analog (d. h. schriftlich oder vor Ort bei der Behörde) beantragen.“
Die Kommunikation des BMBF ist so kryptisch, dass auf Twitter selbst die verwirrt sind, die sonst auf alles eine Antwort haben. Spätestens jetzt drängt sich mir der Verdacht auf: Es geht nicht darum, dass Studierende und Fachschüler möglichst einfach und sicher an die Energiepreispauschale kommen. Sondern in erster Linie darum, der Digitalisierung der Verwaltung einen Schub zu verpassen. Gerade einmal 200.000 Bundesbürger haben bisher ein BundID-Konto eingerichtet. Die Möglichkeit, Mutterschaftsgeld oder ein Führungszeugnis online zu beantragen, kennt bisher kaum jemand.
Wir merken, wenn man uns nicht ernst nimmt
Mehr als drei Millionen Studierende und Fachschüler sind jetzt also die Versuchskaninchen. Wie sonst ist es zu erklären, dass ich auf der Website für die Energiepreispauschale im FAQ bis ganz nach unten scrollen muss, um dort zu lesen: Man könne sich anstelle der elektronischen Identifizierung mit digitalem Ausweis oder ELSTER auch einen Zugangscode und eine PIN von seiner Ausbildungsstätte geben lassen. Eine BundID müsse man sich aber trotzdem anlegen.
Obwohl ich die Digitalisierung der Verwaltung befürworte, wächst mein Wunsch nach einem Papierformular mit jeder Minute. Ich finde es anmaßend, dass das Bildungsministerium nicht darauf setzt, Menschen von einer sicheren und praktischen Digitalisierung zu überzeugen, sondern sie in neue Wege drängt. Inwieweit die BundID sicher und sinnvoll ist, erläutert das Ministerium in seinen FAQ zum Energiegeld gar nicht.
Wer so mit Bürgerinnen und Bürgern umgeht, braucht sich über Misstrauen gegenüber staatlichen Angeboten nicht zu wundern. Er vergrößert die Distanz junger Menschen zur Politik weiter und wird mit seinen Digitalprojekten weniger Erfolg haben. Nebenbei untergräbt er das Fundament umfassender Bildung: die Vorstellung eines mündigen Menschen. Das verstehen sogar die jungen Leute, denen man jetzt reichlich spät wenig Geld gibt.