
Von Frank Lipowsky
Um den wachsenden und sich immer schneller wandelnden Anforderungen in der Schule gerecht zu werden, reicht die Ausbildung von Lehrkräften an der Universität und am Studienseminar nicht aus. Es ist keine erfolgversprechende Strategie, auf die zunehmende Berufserfahrung der Lehrkräfte zu setzen, um Unterricht zu verbessern. Erforderlich ist vielmehr, dass sich Lehrkräfte regelmäßig und über das gesamte Berufsleben fort- und weiterbilden. Die Bedeutung der dritten Phase der Lehrerbildung ergibt sich auch daraus, dass die Wege in den Lehrberuf vielfältiger werden. Wodurch zeichnen sich wirksame unterrichtsbezogene Fortbildungen aus? Aus der Forschung kristallisieren sich die folgenden Punkte heraus:
(1) Wirksame Fortbildungen orientieren sich an Erkenntnissen der Lehr-/Lernforschung und der Unterrichtsforschung. Sie rücken sogenannte Tiefenmerkmale von Unterricht in das Zentrum, die sich in der Forschung als förderlich für die Lern- und/oder Motivationsentwicklung von Schüler:innen erwiesen haben. Hierzu zählen zum Beispiel die kognitive Aktivierung, ein konstruktives Feedbackverhalten der Lehrkraft oder die Anregung der Lernenden zur Anwendung von Lernstrategien.
(2) Damit geht einher, dass in wirksamen Fortbildungen häufig Kernpraktiken von Lehrkräften behandelt, erprobt und trainiert werden, von denen man durch die bisherige Forschung weiß, dass sie einen Einfluss auf das Lernen und Verstehen der Schüler:innen nehmen. Zu diesen Kernpraktiken gehört beispielsweise die Gestaltung von Aufgaben, das Stellen von kognitiv herausfordernden Fragen, das Führen von anregenden Unterrichtsgesprächen, das anschauliche und verständliche Erklären sowie das Geben eines Feedbacks, das die Denkprozesse der Schüler:innen aufrechterhält.
Wichtige Elemente: Feedback und Coaching
(3) Häufig werden Fortbildungen thematisch und inhaltlich breit konzipiert, vielleicht auch, weil man mit ihnen möglichst viele Lehrkräfte erreichen will. Die Forschung deutet jedoch darauf hin, dass wirksame Fortbildungen einen eher engen fachlichen und inhaltlichen Fokus haben und in die Tiefe gehen. In solchen Fortbildungen können Lehrkräfte ihre fachdidaktischen Kompetenzen effektiver weiterentwickeln – und die Qualität ihres Unterrichts heben.
(4) Damit geht einher, dass die Lehrpersonen die Möglichkeit haben, die Fortbildungsinhalte in ihrem Unterricht anzuwenden und zu erproben. Wirksame Fortbildungen geben Lehrkräften die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zu gewinnen, diese Erkenntnisse im eigenen Unterricht anzuwenden und zu erproben und über ihre Praxis zu reflektieren. Diese Verknüpfung von Input-, Erprobungs- und Reflexionsphasen ist nicht in halbtägigen One-Shot-Fortbildungen zu erreichen, wie sie häufig noch üblich sind, sondern setzen Fortbildungsreihen voraus. Insbesondere wenn die Fortbildung auf eine Weiterentwicklung unterrichtlichen Handelns abzielt, sind solche Fortbildungen mit Erprobungs- und Reflexionsphasen wichtig.
(5) Vergleichsweise selten beinhalten herkömmliche Fortbildungen ein Feedback an die Lehrkräfte. Dabei zeigt die Forschung, dass wirksame Fortbildungen häufig entsprechende Feedback- und Coachingelemente beinhalten, insbesondere dann, wenn mit der Fortbildung eine Weiterentwicklung des Unterrichts angestrebt wird. Feedback- und Coachingelemente werden hier in einem weiteren Sinne verstanden: Beispielsweise sehen einige internationale Fortbildungskonzepte vor, dass die Fortbildner:innen nicht nur Feedback geben und nicht nur zur Reflexion über den Unterricht anregen, sondern die erwünschten Praktiken im Unterricht auch demonstrieren und damit quasi vormachen.
(6) Wenn Fortbildungen neue Einsichten ermöglichen, Erprobungsgelegenheiten schaffen und auch Feedback bereitstellen sollen, erstrecken sie sich folgerichtig über einen längeren Zeitraum. Aber es gibt auch kürzere Fortbildungen mit positiven Effekten auf das unterrichtliche Handeln von Lehrkräften. Und längere Fortbildungen gehen nicht immer mit positiven Wirkungen einher. Eine bestimmte Fortbildungsdauer dürfte zwar notwendig sein, um unterrichtliches Handeln von Lehrkräften weiterzuentwickeln, sie ist aber nicht hinreichend.
Teams statt einzelne Lehrkräfte weiterbilden
(7) Lehrkräfte entwickeln über Jahre ihren eigenen Unterrichtsstil und bauen unterrichtliche Routinen auf, die sich für die Lehrkräfte selbst bewährt haben. Wenn man diese Handlungsweisen und Routinen durch eine Fortbildung weiterentwickeln, aufbrechen und verändern möchte, muss man als Fortbildnerin und Fortbildner teilweise mit Widerstand rechnen. Man muss den „Beweis“ antreten, dass die in der Fortbildung behandelten Inhalte zu einem besseren Unterricht beitragen und das Lernen der Schüler:innen mindestens genauso gut fördern wie der bisherige Unterricht der Lehrkräfte.
(8) Fortbildungen sollten sich nicht primär an einzelne Lehrpersonen, sondern an Teams von Lehrpersonen richten. Auf diese Weise können die teilnehmenden Lehrpersonen auch zwischen einzelnen Fortbildungsbausteinen gemeinsam weiter an den Inhalten arbeiten, diese breiter in ihrer Schule implementieren und sich wechselseitig Rückmeldungen geben. In Verbindung mit den oben genannten Merkmalen ist es hierbei erfolgversprechend, wenn Fortbildungen die unterrichtsbezogene Kooperation der Lehrpersonen stärkt.
Wer diese Punkte beachtet, entwickelt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein gutes Fortbildungsformat. Häufig entstehen sie in Kooperation mit der Wissenschaft. In dem Zusammenhang stellen sich auch strukturelle Fragen: Wie können Universitäten und Hochschulen stärker in die dritte Phase der Lehrerbildung einbezogen werden? Und wie kann es gelingen, mit erfolgversprechenden Fortbildungskonzepten viele Schulen und Lehrkräfte zu erreichen?
Aber bevor sich die Verantwortlichen dieser Fragen annehmen, braucht es Antworten auf die basalste Bedingung für wirksame Fortbildungen: Den Lehrkräften muss die Teilnahme an Fortbildungen ermöglicht werden. Wegen des Lehrkräftemangels verzichten Schulleitungen ungern auf einzelne Lehrkräfte – oder gar ein ganzes Team. Dies ist jedoch notwendig, damit sich Unterricht qualitativ und wirksam weiterentwickelt.
Frank Lipowsky ist Professor für empirische Schul- und Unterrichtsforschung an der Universität Kassel. Er forscht unter anderem zu wirksamem Unterricht – und Lehrerbildung.