
Herr Freiberg, beim Digitalpakt hakt es an einer Stelle: Wer soll später die Kosten für die Endgeräte übernehmen, die der Bund mit einer Milliarde Euro bezahlt hat. Wieso hat man das nicht schon 2017 geklärt, als man über den Digitalpakt zu sprechen begann?
Weil das zwei Paar Stiefel sind. Zunächst sollte der Digitalpakt ursprünglich auf ganz anderen rechtlichen Füßen stehen, das wurde 2018 mittendrin geändert. Neue Rechtsgrundlage, neue Situation, andere Fragen. Zum Beispiel, ob Bund und Länder die Schulträger bei digitalen Investitionen unterstützen, etwa bei der WLAN-Ausstattung oder bei Lernmanagementsystemen.
Und um was geht es nun bei den neuerlichen Gesprächen?
In den Verhandlungen, die jetzt zwischen Schulträgern und vielen Bundesländern laufen, stehen insbesondere die Endgeräte aus den beiden Sonderprogrammen des Bundes im Fokus. Da geht es um die laufenden Kosten, die die Anschaffung der Geräte nach sich zieht – also etwa die Einrichtung und die laufende Administration. Aber das ist noch das kleinere Problem. Die brennende Frage ist die der dauerhaften Kosten. Die meisten meiner Gesprächspartner stimmen darin überein, dass es hierfür eben auch eine dauerhafte Lösung braucht. Dabei sind aus meiner Sicht alle staatlichen Ebenen gefragt. Als KMK sind wir dazu auch mit allen staatlichen Ebenen im Austausch.
War nicht immer klar, dass die Kommunen die apparative Ausstattung der Digitalisierung der Schulen niemals allein stemmen können?
Zuerst möchte ich für die kommunale Ebene in Erinnerung bringen, dass es auch schon vor dem Digitalpakt technische Ausstattung an den Schulen gab. Völlig neu ist das nicht. Das war sehr unterschiedlich und das hat nicht nur mit der Haushaltslage zu tun.
Bei der Digitalisierung gehts aber um ganze andere Größenordnungen.
Klar ist, dass die Digitalisierung enorme technische, inhaltliche und auch finanzielle Herausforderungen mit sich bringt. Die Sachausstattung der Schulen einschließlich Wartung, Betrieb und Pflege ist Aufgabe der Schulträger. Bei öffentlichen Schulen sind das die Kommunen. Das gilt für Schreibtische und Stühle und das gilt auch für die technische Ausstattung. Das ist in allen Schulgesetzen in der Republik so geregelt. Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern haben das, in einem partnerschaftlichen Verhältnis übrigens, akzeptiert.
Aber warum verhandeln Sie dann überhaupt mit den Schulträgern, sprich den Kommunen?
Die Digitalisierung geht als gesellschaftlicher Megatrend nicht an der Schule als einzelne Einrichtung vorbei. Es gibt in Deutschland eine Tradition der Mischverwaltung für Schulen, die innere Schulverwaltung, das sind die Länder, und die äußere Schulverwaltung, das sind die Kommunen. Die Rechtslage ist klar, umfasst aber nicht nur digitale Schule. Damit sind auch Verantwortlichkeiten verteilt, auch die finanziellen. Hieran etwas zu verändern, passiert nicht von heute auf morgen. Meine Erfahrung ist: Dinge verändern sich dann, wenn man ein gemeinsames Ziel verfolgt. Dazu ist das Gespräch oft hilfreich.
Nochmal: Wenn das so klar ist, worüber wird dann verhandelt?
Weil der Teufel im Detail steckt, zum Beispiel bei einer gelingenden und konkreten Umsetzung des Datenschutzes. Die Betonung liegt auf konkret. Damit es bei der Umsetzung nicht hakt, haben in Mecklenburg-Vorpommern Land, Landkreistag, der Städte- und Gemeindetag und der Zweckverband Elektronische Verwaltung eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit geschlossen. Ähnliche Verhandlungen laufen auch in anderen Ländern, in Sachsen zum Beispiel. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir den Prozess im Januar dieses Jahres tatsächlich abgeschlossen. Sie begannen als Verhandlungen über eine Auseinandersetzungsvereinbarung und kamen zum Abschluss als Zusammenarbeitsvereinbarung – auf Wunsch der kommunalen Partner. Allen Beteiligten auf Augenhöhe zu begegnen halte ich dabei für den Schlüssel.
Müssten nicht die Länder diese Ausgaben schultern – oder die Zuständigkeit für die Schulen aufgeben, wenn ihr Geld nicht reicht?
Nein, es geht hier nicht um die Frage, ob etwas günstig oder teuer ist. Wenn Sie in das Schulgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern schauen, steht dort, dass die Wahrnehmung der Schulträgerschaft eine Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden, Landkreise und kreisfreien Städte ist. Dazu zählt, Schulgebäude zu errichten, zu unterhalten und zu verwalten und den Sachbedarf des Schulbetriebs zu decken. Dass die Kommunen und Landkreise solch enorme Anschubinvestitionen wie die digitale Ausstattung nicht leisten können, ist doch allen bewusst. Das Land Mecklenburg-Vorpommern übernimmt sogar den Kofinanzierungsanteil für die kommunale Ebene und investiert zu den 99,2 Millionen Bundesmittel noch einmal 9,92 Millionen Euro. Das Land erwartet allerdings von den Schulträgern, dass sie ihrer Aufgabe auch nachkommen. Der Bund erwartet das übrigens auch.
Glauben Sie wirklich, die Digitalisierung der Schulen mit Zuständigkeiten bewältigen zu können?
Nutzen und Potenzial von Digitalisierung kann man nur heben, wenn man sich durch klare Aufgabenverteilung nicht davon abhalten lässt, gemeinsam Verantwortung zu tragen, Probleme offen miteinander zu besprechen und die Idee einer guten Lösung zuerst an der guten Lösung festzumachen und erst danach zu überlegen, wie man an das notwendige Geld kommt oder wer bezahlt. Wenn es, im besten Sinne, um die Sache zuerst geht.
Es ist aber eine völlig neue Lage entstanden. Es geht nicht mehr um Schulbänke und Tafeln, welche die Schulträger bezahlen müssen. Wenn man digitale Endgeräte in der Verantwortung der Schulträger lassen will, dann können Sie die Zukunft abschreiben. Das müssen also die Länder übernehmen – oder Verantwortung für die Schulen abtreten.
Das mag Ihre Auffassung sein. Ich sehe das anders. Sie können nicht einfach vom Tisch wischen, wie der Rechtsstaat aufgebaut ist. Der Grundsatz lautet ja, dass die Aufgabe dort verortet ist, wo sie am besten erfüllt werden kann. Das ist so, wie es Ihre Frage beschreibt, aber zuerst eine Frage an die kommunale Familie. Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, die wir als gemeinsame Aufgabe nicht nur umsetzen müssen, sondern auch wollen. Das ist für mich der richtige Ansatz. In Mecklenburg-Vorpommern bildet die Vereinbarung über die Zusammenarbeit dafür eine sehr gute Grundlage. Und ich bin zuversichtlich, dass solche Vereinbarungen auch in den anderen Ländern gelingen. Das wäre auch ein starkes Signal an den Bund. Christian Füller