Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt

- Meseberg: Die Streitthemen wurden vertagt
- Digitalmedizin: Spitzenverbände warnen Lauterbach
- Alleinerziehende: Wutbrief an Paus wegen Lindner
- E-Mobilität: Sattes Angebot an Ladesäulen
- Professoren-Gehälter: Klares Süd-Nord-Gefälle
- Gabun: Putschversuch schürt Angst vor Instabilität
- Waldbrände: Klima-Kipppunkt gefährdet nördliche Regionen
- China: Britischer Außenminister besucht Peking
wir begrüßen Sie zum Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.
Dass aus der SPD Kritik am SPD-Kanzler laut wird, ist seit der Wahl von Olaf Scholz nicht gerade alltäglich. Und dass das genau in dem Moment passiert, in dem Scholz mit der Ampel um einen Neustart bemüht ist, tut noch ein bisschen mehr weh. Das SPD-Wirtschaftsforum hat sich trotzdem nicht gescheut und schreibt zu den Ergebnissen der Klausur: „Das reicht nicht.“ Insbesondere bei der Unterstützung der Wirtschaft seien die Beschlüsse „zu wenig, zu langsam“. Ob das etwas bewirkt, ist nicht sicher. Aber dass auch die bislang so ruhigen Genossen unruhiger werden, ist unverkennbar.
Wir haben heute die Reset-Anstrengungen der Ampel in Meseberg beobachtet. Außerdem schauen wir auf den Gesundheitsminister Karl Lauterbach – und die Kritik, die sich an seiner Turbodigitalisierung entzündet. Und wir haben eine gute Nachricht: Der Ausbau des Ladenetzwerks für E-Autos kommt schneller voran als gedacht.
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Annette Bruhns, Anne Brüning, Enno Eidens, Franziska Klemenz, Malte Kreutzfeldt und Vera Weidenbach mitgewirkt.
Wir freuen uns über Ihr Interesse.

Meseberg: Die Streitthemen wurden vertagt. Trotz der eindringlichen Appelle aus der Wirtschaft und dem jüngsten Beschluss der SPD-Bundestagsfraktion ist die Bundesregierung beim Thema Industriestrompreis weiterhin uneins. Bei der Kabinettsklausur im brandenburgischen Meseberg gab es in dieser Frage allenfalls minimale Fortschritte. Von sich aus erwähnten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner das Streitthema bei der Abschluss-Pressekonferenz vor dem Schloss nicht.
Auf Nachfrage kam vom Kanzler zu einer Strompreissubvention immerhin keine klare Absage mehr. „Die Vorschläge der Bundesregierung sind Ihnen bekannt“, sagte Scholz lediglich. Zu den Forderungen aus der Wirtschaft und seiner eigenen Fraktion sagte er, er freue sich, dass die Vorschläge der Regierung „von vielen Gedanken, die andere mit unterschiedlichen Perspektiven haben, begleitet werden“. Habeck, der die Sorge der energieintensiven Industrie vor Wettbewerbsnachteilen durch den hohen Strompreis teilt, äußerte die Hoffnung, dass die Debatte um den Industriestrompreis noch nicht abgeschlossen sei. Zumindest kurzfristig ist damit nun aber offenbar nicht zu rechnen.
Keine Einigung gab es auch bei der Frage, ob Deutschland Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern soll. Scholz antwortete auf eine entsprechende Frage ausweichend, die Mehrheit der Bevölkerung sei „sehr einverstanden mit der abwägenden, sorgfältig alle Fragestellungen bedenkenden Politik der Bundesregierung“. Lindner, der zuvor eine schnelle Entscheidung über diese Frage gefordert hatte, äußerte sich dazu in Meseberg nicht.
Konsens bestand dagegen beim Thema Bürokratieabbau. Das Kabinett einigte sich auf „Eckpunkte für weiteres Bürokratieentlastungsgesetz“. Zu den vielen, teils sehr kleinteiligen Einzelmaßnahmen, die darin aufgeführt werden, gehört unter anderem der Verzicht auf die Registrierungspflicht für deutsche Staatsbürger in Hotels, die Auflösung der Seeämter und verringerte Prüfpflichten für bestimmte Rauchmelder. Zudem sollen viele Dokumente künftig nicht mehr in Schriftform auf Papier vorliegen müssen, sondern auch digital akzeptiert werden. Insgesamt soll die Wirtschaft durch das Paket um 2,3 Milliarden Euro entlastet werden, sagte Justizminister Marco Buschmann. Neben inhaltlichen Fortschritten sollte die Klausurtagung auch den Teamgeist der Regierung stärken. Inwieweit das gelungen ist, lesen Sie in der Analyse von Franziska Klemenz.
Digitalmedizin: Spitzenverbände warnen Lauterbach. Vor der heutigen Verabschiedung der Gesundheitsdigitalgesetze vom Kabinett haben Spitzenverbände Karl Lauterbach von einer Schnellprüfung von risikobehafteten digitalen Medizinprodukten abgeraten. In einem Brief, der Table.Media vorliegt, beklagen fünf Institutionen – darunter die Bundesärztekammer, die Gesetzlichen Krankenkassen und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) – ihre „große Sorge“. Sie wenden sich dagegen, dass künftig auch digitale Medizinprodukte der hohen Risikoklasse IIb in das Dreimonats-Fast-Track-Verfahren aufgenommen werden sollen, das bisher nur für Produkte niedriger Klassen galt. Die neue Risikoklasse berge „ein weitaus höheres Schadenspotenzial für Patientinnen und Patienten“, heißt es im Brief.
Ein solches risikoreiches Produkt wäre etwa eine Hautkrebs-Screening-App. Beim IQWiG ist Stefan Sauerland für die Bewertung medizinischer Verfahren zuständig. „Erkennt die App ein Melanom zu spät, kann dies schlimme Auswirkungen für die Patientin oder den Patienten haben“, erklärte der Wissenschaftler gegenüber Table.Media. „Der Hautkrebs schreitet unentdeckt voran und die Operation muss entsprechend weiträumiger erfolgen.“ Umgekehrt können sich Arztpraxen mit völlig zu Unrecht besorgten Patienten füllen, wenn eine App falsch-positive Aussagen trifft. Die Briefeschreiber empfehlen Lauterbach, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Risikobewertung solcher Produkte vornimmt: das Organ, das üblicherweise die Nutzen neu zugelassener Arzneimittel bewertet.
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