Berlin.Table Interview BSW

Herr de Masi, wie halten Sie es mit der Brandmauer?

Der neu gewählte Co-Vorsitzende des BSW soll in die Fußstapfen der Parteigründerin treten. Er ist gegen eine konsequente Brandmauer und findet, dass die Medien seine Partei nicht fair behandeln.

07. Dezember 2025

Zwischen Frau Wagenknecht und den Landesverbänden gab es oft Streit über Regierungsbeteiligungen. Auf welcher Seite stehen Sie?

Ich bin in die Politik gegangen, um das Leben von Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zu verbessern. Wenn man politisches Gewicht auf die Waage bringt, muss man auch regieren. Aber für eine junge Partei ist es eine große Herausforderung, ohne etablierte Fraktionen und Apparate sofort zu regieren.

Wir haben mit Thüringen und Brandenburg die Rüstungs-Milliarden im Bundesrat abgelehnt, denen meine frühere Partei, Die Linke, zugestimmt hat. Darauf bin ich stolz. Und wir haben die Spielräume der Kommunen erweitert, die kaputte Infrastruktur zu reparieren. Aber das reicht oftmals nicht, um die Erwartungen von Wählerinnen und Wählern zu erfüllen, die wir etwa von der AfD zurückgeholt haben. Daher müssen sich unsere Minister und Ministerinnen auch Debatten in der Partei stellen, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden.

In Ihrer Partei sind viele gegen eine strenge Brandmauer. Wie stehen Sie dazu?

Ich bin gegen Brandmauern, wenn darunter verstanden wird, dass jeder AfD-Antrag abgelehnt werden muss und man ihr Ausschussvorsitze verweigert. Das hat die AfD nur stärker gemacht.

Im Europäischen Parlament kann ich nicht für Frau von der Leyen stimmen, nur weil die AfD gegen sie ist. Eine Koalition mit der AfD wird es nicht geben – denn sie befürwortet die deutsche Hochrüstung, die unsere Wirtschaft ruiniert und Frau Weidel will die Renten privatisieren.

Welche Partei ist Ihr größter Gegner – Grüne, Linke, CDU oder AfD?

Eine Oppositionspartei muss immer die Regierung angreifen. Herr Merz ist ein Dilettant und fährt die Wirtschaft mit der kopflosen Energie- und Sanktionspolitik weiter vor die Wand. Das nützt der AfD.

Würde das BSW in Sachsen-Anhalt eine Minderheitsregierung tolerieren, um eine AfD-Regierung zu verhindern?

Wir werden weder reine Anti-AfD-Koalitionen eingehen, die die Unzufriedenheit im Land nicht verringern, noch mit der AfD paktieren. Wir werden Anträge immer in der Sache prüfen. In anderen Ländern sind Minderheitsregierungen normal. Stabilität entsteht nicht durch Ja-Sager und Anti-AfD-Koalitionen, die keine gemeinsame Idee haben, sondern durch gute Politik. Das ist auch mit wechselnden Mehrheiten möglich.

Der BSW-Bundestagswahlkampf wurde auch deshalb kritisiert, weil Sahra Wagenknecht im Wahlkampf seltener in Talkshows auftrat. Haben Sie das Ziel, die Medienpräsenz wieder zu erhöhen – auch persönlich?

Das liegt ja nicht nur in unserer Hand. Jetzt, wo wir aktuell nicht im Bundestag sitzen, werden wir weniger in Talkshows eingeladen. Uns fehlt die Bühne des Bundestags. Trotzdem gelingt es uns auch so sichtbar zu sein, etwa bei der Debatte um die Neuauszählung der Bundestagswahl. Denn wir fehlen im Bundestag, etwa bei der Rente, wo selbst Die Linke Merz die Mehrheit sichert. Man muss daher auch auf Marktplätzen stehen und in den Wohnvierteln die Menschen besuchen, um uns in Erinnerung zu rufen.

Ihre Forderung nach mehr Medienpräsenz wird immer wieder als populistisch kritisiert. Wie sehen Sie das – und wie wollen Sie sich als neue Parteispitze positionieren?

Die Frage ist, was man unter Populismus versteht. Der Bundeskanzler ist bereits nach wenigen Monaten so unpopulär wie die Ampel-Koalition nach drei Jahren. Da ist mir populäre Politik deutlich sympathischer und das heißt so zu sprechen, dass Menschen verstehen, wofür man steht. Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen sehr deutlich wahr, dass sich Meinungskorridore etabliert haben. Nehmen Sie die Debatte über Corona, wo man nicht mal die überzogenen Schulschließungen vernünftig diskutieren konnte, oder die Ukraine-Frage: Wir haben drei Jahre gesagt, die Situation der Ukraine würde sich nicht auf dem Schlachtfeld verbessern und wurden dafür als Putin-Lakaien verschrien. Aber wir haben recht behalten. Deshalb benötigen wir einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Meinungsvielfalt sichert – ohne Intendantengehälter, die das Gehalt des Bundeskanzlers übertreffen. Dies erfordert Reformen.

Wie sollte ein solcher Reformbedarf aussehen? Sollen Redakteurinnen und Redakteure Parteipräferenzen offenlegen?

Nein. Aber man sollte darauf achten, dass nicht nur die alten Parteien in den Rundfunkräten bestimmen, wie der Hase läuft. Und es gibt ja auch öffentlich-rechtliche Journalistinnen und Journalisten, die selbst beklagen, dass die innere Rundfunkfreiheit nicht immer gewährleistet sei.

In der polarisierten Medienlandschaft stellen Sie sich selbst oft als Gegenstimme dar – quasi „wir gegen die“. Ist Zuspitzung Ihnen wichtiger als Anschlussfähigkeit an die Mitte?

Wer ist die Mitte? Wir vertreten Positionen, die in der Bevölkerung mehrheitsfähig sind. Wir stehen für die Besteuerung großer Milliarden-Vermögen, für Bürokratieabbau und niedrigere Energiepreise, gegen massive Aufrüstung statt ziviler Investitionen und für einen Mindestlohn von 15 Euro. Das ist Politik im Interesse der Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen sowie des Mittelstands.

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Letzte Aktualisierung: 07. Dezember 2025