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Wie Markus Söder mit Altersgrenzen Politik macht

Markus Söder und Dieter Reiter beim Bieranstich. Beide können miteinander. Deswegen überlegt der eine, dem anderen eine weitere Amtszeit zu ermöglichen. (Bild: IMAGO/APress)


Das Alter ist in der Politik eine sehr relative Sache. In den USA amtiert mit Joe Biden ein 80-Jähriger als Präsident und denkt sogar über eine weitere Amtsperiode nach. In Neuseeland ist dagegen erst vor wenigen Wochen Premierministerin Jacinda Ardern mit nur 42 Jahren zurückgetreten, weil sie sich den Belastungen ihres Amtes nicht mehr gewachsen fühlte. Emmanuel Macron war erst 39, als er 2017 französischer Staatspräsident wurde und die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin war bei ihrem Amtsantritt 2019 mit 34 Jahren die jüngste Regierungschefin der Welt.

In Bayern, wo die Bevölkerung im Oktober einen neuen Landtag wählt, wird derzeit über zwei unterschiedliche Altersgrenzen diskutiert, bei denen auch taktische Motive von Ministerpräsident Markus Söder eine Rolle spielen. Zum einen geht es um die Altersgrenze für kommunale Wahlbeamte, dazu gehören die direkt gewählten Bürgermeister und Landräte. Sie legt fest, dass niemand aus diesem Personenkreis bei Amtsantritt älter als 67 Jahre sein darf. Stichtag dafür ist der Wahltag. Die Regelung ist schon seit Jahren umstritten, nicht nur wegen der demografischen Entwicklung, sondern auch, weil sie für die anderen politischen Ebenen nicht gilt. Söder hat jetzt zu erkennen gegeben, dass er diese Grenze möglichst aufheben will.

Was wie ein Akt der Vernunft aussieht, hat aber politische Implikationen, die auch Söder selbst betreffen. Denn der prominenteste Fall, der von dieser Neuregelung betroffen wäre, ist Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Der SPD-Politiker, der im Mai 65 wird, dürfte bei der nächsten Kommunalwahl im Jahr 2026 wegen dieser Grenze nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidieren. Profitieren würden davon vermutlich die Grünen, die in München bereits die stärkste politische Kraft im Stadtrat sind und dort die Zweite Bürgermeisterin stellen. Träte der populäre Reiter hingegen noch einmal an, hätte er beste Chancen auf den Sieg, denn die direkt gewählten Bürgermeister und Landräte in Bayern haben eine starke Stellung und werden so gut wie nie abgewählt.

Hoffnung für die SPD – Hindernis für die Grünen

Abgesehen davon, dass von einer Aufhebung der Altersgrenze auch CSU-Kommunalpolitiker in kritischem Alter profitieren würden, könnte Söder im Falle Reiters gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sein Verhältnis zu Reiter gilt als gut und der Münchner Oberbürgermeister ist nach dem Ministerpräsidenten wegen der großen Bedeutung der finanzstarken Landeshauptstadt der zweitwichtigste Politiker nach dem Ministerpräsidenten, wichtiger als die Landesminister. Söder würde also einen bewährten Verhandlungspartner behalten und zugleich den Grünen eins auswischen, was zu seiner aktuellen Linie eines strikten Abgrenzungskurses gegenüber den Grünen passt.

Kein Wunder also, dass die Grünen sich düpiert fühlen, während die SPD neue Hoffnung schöpft, das Amt des Oberbürgermeisters in München zu halten, was mit einem neuen Kandidaten oder einer neuen Kandidatin nur schwer möglich wäre. Söder trägt auf diese Weise auch den Spaltpilz in die ohnehin wenig harmonische grün-rote Rathauskoalition in München.

An einer anderen Altersgrenze will Söder hingegen nicht rütteln. Laut Artikel 44 der bayerischen Verfassung muss ein Ministerpräsident (von einer Ministerpräsidentin ist im Verfassungstext nicht die Rede) mindestens 40 Jahre alt sein, um vom Landtag gewählt werden können. Auch diese Bestimmung ist längst obsolet. Die Grünen kämpfen seit Jahren für ihre Abschaffung, ein entsprechender Antrag wurde erst vor wenigen Monaten von der Mehrheit aus CSU und Freien Wählern im Landtag abgelehnt. „Die Verfassung braucht ein zeitgemäßes Update“, sagt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Dass Söder und seine CSU dieses Update ablehnen, lässt sich ebenfalls als gezielte Aktion gegen die Grünen deuten.

Ist formal zu jung für das Amt als Ministerpräsidentin: Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende und Co-Spitzenkandidatin der Grünen. (Bild: IMAGO/Rolf Poss)

Die Grünen treten bei der Landtagswahl mit ihren beiden Fraktionschefs Katharina Schulze und Ludwig Hartmann als Spitzenduo an. Schulze ist von beiden aber in der Außenwahrnehmung die deutliche stärkere. Sie ist das bekannteste Gesicht der Opposition in Bayern, und es wäre durchaus naheliegend gewesen, sie mit dem Anspruch ins Rennen zu schicken, Ministerpräsidentin zu werden. So wie Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin angetreten ist und so wie auch Tarek Al-Wazir in Hessen das Spitzenamt anvisiert. Für eine Spitzenkandidatur könnte das ein zusätzlicher Schub sein.

Das aber geht nicht. Denn Schulze ist erst 38; selbst wenn die Grünen die absolute Mehrheit gewinnen würden, könnte sie nicht Ministerpräsidentin werden. „Ich finde diese Regelung absurd“, sagt Schulze zu Table.Media. Söder selbst will der Opposition eine Aufhebung des Mindestalters im Jahr 2018 angeboten haben, als er eine Begrenzung der Amtszeit des Ministerpräsidenten auf zehn Jahre vorgeschlagen hatte, was die Opposition damals ablehnte. Die Grünen bestreiten, dass es ein solches Junktim gegeben hat.

Sonderregelungen, die außerhalb kaum bekannt sind, gibt es auch in anderen Bundesländern. So muss etwa in Nordrhein-Westfalen der Ministerpräsident Mitglied des Landtages sein, während diese Bestimmung für die übrigen Regierungsmitglieder nicht gilt. Das hat nach der Bundestagswahl 2021 dem heutigen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst in die Karten gespielt, als es um die Nachfolge von Armin Laschet ging. Denn damit war ausgeschlossen, dass ein prominenter CDU-Bundespolitiker aus NRW von Berlin nach Düsseldorf wechselt.

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