
Unbestritten ist Tschad ein wichtiger Partner des Westens im Kampf gegen Dschihadisten in der Sahelzone und für die Blauhelm-Mission der UNO im Norden Malis. Vor allem aber für Frankreich hat der Sahel-Staat eine zentrale Bedeutung: Paris unterhält seit der Unabhängigkeit seiner ehemaligen Kolonie 1960 am Flughafen von N’Djamena einen seiner größten Militärstützpunkte in Afrika und das Hauptquartier seiner Anti-Terror-Mission in der Sahelregion.
Das erklärt auch, warum Frankreich, die EU, die USA und andere westliche Nationen Tschad immer unterstützt haben, obwohl das Land seit Jahrzehnten autoritär regiert wird. Zu groß ist die Sorge, dass Tschad auseinanderbrechen könnte – wie Libyen nach dem Sturz Muammar Gaddafis im Jahr 2011. Nach der Tötung von Präsident Idriss Déby 2021 übernahm sein Sohn Mahamat Déby die Macht und zeigt – wie sein Vater – autoritäre Züge.
Der deutsche Botschafter Gordon Kricke hatte, wie schon andere EU-Staaten, bei der tschadischen Militärregierung immer wieder auf demokratische Defizite hingewiesen. Das kam nicht gut an. Die Regierung warf Kricke „unhöfliches Verhalten“ vor und wies den Botschafter schließlich aus. Die Art und Weise, wie die Ausweisung geschah, stieß unangenehm auf: Die Entscheidung wurde am Abend zu Beginn der Osterferien in den sozialen Medien veröffentlicht. Kopien von Krickes Reisepass und seiner Bordkarte für den Rückflug wurden an lokale Medien weitergegeben. Aus Solidarität kamen Vertreter anderer Botschaften zum Flughafen, um Kricke zu verabschieden. Die EU verurteilte die Ausweisung Krickes als bedauerliche und feindliche Geste.
Paris zeigt sich wenig solidarisch
Tschad hatte wohl erst gehofft, dass Deutschland auf die Ausweisung nicht reagieren würde. Doch das Auswärtige Amt forderte wenig später die tschadische Botschafterin in Berlin, Mariam Ali Moussa, auf, ebenfalls innerhalb von zwei Tagen aus Deutschland auszureisen.
Der Konflikt zwischen Deutschland und Tschad hat auch offengelegt, dass Frankreich ein Doppelspiel spielt. Die frühere Kolonialmacht hat zwar Erklärungen der EU mitgetragen, die Tschads verschleppte Transition und die Unterdrückung von Protesten kritisieren. Deutschland hatte schon im Vorfeld des Dialogs mit anderen EU-Staaten Déby treffen wollen, um auf einen konkreten Wahltermin zu drängen – Frankreich stand aber nicht hinter dieser Idee, sagt ein Diplomat in N’Djamena.
Paris hat seit der Unabhängigkeit des Landes immer an der Seite des jeweiligen Autokraten gestanden. Französische Jets mussten Idriss Déby zweimal retten, indem sie Rebellenangriffe Richtung N’Djamena stoppten.
Zuviel steht für Paris auf dem Spiel: Die französische Armee unterhält mehrere Stützpunkte in Tschad. Als Frankreich seine Soldaten aus Nord-Mali und Burkina Faso abziehen musste, wurden einige von ihnen nach Tschad und Niger verlegt. In Niger regt sich allerdings Widerstand gegenüber den etwa 2.200 stationierten Soldaten. Bisher war Tschad eine Rückfalloption für die französische Armee. Allerdings gibt es auch dort eine starke antifranzösische Stimmung. Tschad ist das Paradebeispiel von „Françafrique“ – damit wird der Einflussbereich Frankreichs in ehemaligen Kolonien bezeichnet.
Frankreich im Einklang mit den USA
Frankreich agiert meist im Einklang mit den Vereinigten Staaten, die im Tschad ebenfalls einen wichtigen Stabilitätsanker sehen. Beide haben bei der Weltbank und anderen internationalen Institutionen immer wieder Hilfen für das Land durchgesetzt.
Die US-Regierung versucht derzeit, den Einfluss Russlands und der Wagner-Söldner einzudämmen – so etwa in der Zentralafrikanischen Republik, in Libyen und Sudan. Deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die USA Druck auf Tschad oder Frankreich ausüben werden, demokratische Reformen im Tschad vorzunehmen. Im Gegenteil – die Krise in Sudan dürfte die Ängste vor einer Destabilisierung Tschads anfachen. Allerdings zeigen die Kämpfe zwischen den verfeindeten Generälen in Sudan auch, dass Militärs kein Garant für Sicherheit und Entwicklung sind.
Das Doppelspiel Frankreichs zeigt, dass Deutschland sich im Sahel zwar mit Paris abstimmen muss, aber innerhalb der EU über eine Strategie nachdenken sollte, die sich nicht zwingend mit der französischen deckt. Frankreich ist in der Sahelregion zunehmend unbeliebt. In Mali und Niger ist Deutschland – gemeinsam mit den anderen EU-Staaten – Frankreich stets gefolgt. Beide Sahel-Staaten wünschen, dass Deutschland eine größere Rolle spielt. Deutschland gilt als ehrlicher Makler ohne koloniale Vergangenheit – daraus ergibt sich eine Chance für Berlin.
Ulf Laessing ist Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung mit Sitz in Bamako, Mali.